Konzept der dezentralen Regenwasser-Bewirtschaftung
Die Idee
Mit dem Konzept der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung (dezRWB) wird Regenwasser
vor Ort zurückgehalten,
als Trinkwasserersatz z.B. für die Toilettenspülung oder Bewässerungszwecke genutzt,
zur Verbesserung der lokalen Klimas verdunstet,
dem Grundwasser durch Versickerung zugeführt,
durch eine Bodenpassage gereinigt und
falls erforderlich gedrosselt in ein Gewässer oder in die Kanalisation abgeleitet.
Bausteine der Regenwasserbewirtschaftung
Im Idealfall werden diese Einzelkomponenten entsprechend den örtlichen Bedingungen zu einem optimierten Gesamtsystem kombiniert. So kann es z.B. sinnvoll sein, in Gebieten mit sandigen Böden zu versickern, in Gebieten mit lehmig-tonigen Böden das Regenwasser zurückzuhalten und gedrosselt abzuleiten und in Innenstädten auf einen besonders hohen Anteil der Verdunstung zu achten.
Damit unterscheidet sich das Konzept der dezRWB grundlegend von dem herkömmlichen Prinzip der Regenwasserableitung. Mit der dezRWB wird zumindest ein Teil der Niederschlagsabflüsse direkt vor Ort dem Wasserkreislauf wieder zugeführt. Damit kann im Gegensatz zu den konventionellen End-Of-Pipe-Maßnahmen neben Rückhaltung und Behandlung auch eine weitgehende Annäherung an den natürlichen Wasserhaushalt erreicht werden.
Erfahrungen
Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung, insbesondere Versickerungsanlagen und Mulden-Rigolen-Systeme, aber auch Regenwassernutzungssysteme und Dachbegrünungen haben sich in den letzten Jahren in der bundesdeutschen Siedlungswasserwirtschaft etabliert. Die Erfahrungen aus zahlreichen Modellprojekten haben zu einem erheblichen Wissenszuwachs hinsichtlich Bau und Betrieb sowie der wasserwirtschaftlichen Wirkungen geführt (Sieker, Kaiser et al. 2006). Für viele Maßnahmen existieren bereits allgemein anerkannte Regeln der Technik (DWA-A 138 2005). Auch die positive Wirkung dieser Maßnahmen auf Wasserhaushalt und Stoffeinträge in die Gewässer ist allgemein akzeptiert; die ökonomischen Vorteile sind vielfach untersucht und belegt worden (Rudolph und Balke 2000).
Rechtliche Grundlagen
1996 wurde mit dem Einführung des §51a in das Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen die Regenwasserversickerung für neu versiegelte Flächen auch rechtlich verankert. Andere Bundesländer (z.B. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin) haben in den darauf folgenden Jahren nachgezogen. Die Regenwasserversickerung wurde dabei nicht nur für gleichwertig, sondern für Neubaugebiete zur Vorzugslösung erklärt.
Internationale Entwicklungen
Dieser Trend ist im Übrigen nicht auf Deutschland begrenzt. Auch in anderen Ländern (z.B. USA, Niederlande, Großbritannien) werden unter den Stichworten „Stormwater Management“, „BMP “, „SUD“ , „LID“ oder „WSUD“ zunehmend alternative Strategien im Umgang mit dem Regenwasser verfolgt (Förster, Thévenot et al. 2004).
Anwendung im Neubau und im Bestand
Für Neubauplanungen wird die naturnahe Regenwasserbewirtschaftung zukünftig das Standardverfahren sein. Aber auch die Umsetzung im Siedlungsbestand wird zunehmend diskutiert. Dass eine Umsetzung im Siedlungsbestand in gewissem Umfang möglich ist, zeigen zahlreiche Modellprojekte z.B. im Emschereinzugsgebiet (Emschergenossenschaft 2003) oder im Berliner Raum.
Literatur
DWA A138 (2005). DWA-Arbeitsblatt DWA-A 138: Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser. Hennef, DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.: S. 59.
Förster, M., Thévenot, D., Geldof, G., Svensson, G., Mikkelsen, P. S., Revitt, M., Aftias, E., Krejcik, J., Sieker, H., Legret, M. & Viklander, M. (2004). "Urban stormwater source control management in European countries: DayWater project", 2004.
Rudolph, K.-U. and H. Balke (2000). "Wirtschaftlichkeit der naturnahen Regenwasserentsorgung." KA - Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall Jg. 47(Heft 3).
Sieker, F., Kaiser, M. & Sieker, H. (2006). Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung im privaten, gewerblichen und kommunalen Bereich (Grundlagen und Ausführungsbeispiele). Fraunhofer IRB-Verlag, Stuttgart.