Sieker
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Die Regenwasserexperten

Das Konzept der Schwammstadt (Sponge-city)

Städte stören die natürliche Wasserbilanz

Die hohe Flächenversiegelung in Großstädten widerspricht dem natürlichen Zustand eines nicht bebauten Gebiets und führt bei Regen zu erhöhtem Oberflächenabfluss. Der Abfluss des Niederschlagswassers auf versiegelten Oberflächen und die Ableitung in Kanälen bei konventioneller Entwässerung stören das natürliche System und führen punktuell zu hohen Abflussmengen, die bewirtschaftet werden müssen. 

Gerade bei Starkregen resultiert daraus eine Überlastung der Kanalnetze, als Folge kann es vermehrt zu verheerenden urbanen Sturzfluten kommen, wie es u.a. auch im Sommer 2017 der Fall war. Zu den Extremereignissen zählen allerdings nicht nur die Starkregen, sondern auch das vermehrte Auftreten von sogenannten urbanen Hitzeinseln (Urban heat islands/effect) und langanhaltenden Trockenheiten. So heizen sich in stark versiegelten Bereichen einer Stadt die Glas-, Stahl- und Betonfassaden auf. Eine mögliche Kühlung durch verdunstendes Wasser wird durch die sofortige Ableitung des fallenden Niederschlags verhindert.

Die grüne Stadt (Green-city)

Eine Begrünung von Oberflächen (Dächern, Fassaden, Straßenzügen) förder die Verdunstungskühlung und wirkt der Entstehung von Hitzeinseln entgegen. Über diese Anpassungsstrategie wird außerdem das Regenwasser zu großen Teilen in der Stadt zurückgehalten und nicht über Kanäle abgeführt. Die Schaffung von vielen kleinen Speicherräumen im Straßenraum und auf Dachflächen führt zur verzögerten und gedrosselten Ableitung eines Teils des Niederschlags und erhöht über die Bepflanzung zeitgleich die Verdunstung, um so das Stadtklima zu verbessern.

Maßnahmen zur Klimaanpassung in Großstädten können eine Kombination aus Rückhalt, Entsiegelung, Abkopplung, Versickerung und Verdunstung sein.

  • Rückhalt. Die Retention von Niederschlägen in sowohl Unter- als auch Oberirdischen Speichern gilt als übliche Maßnahme, um Spitzenabflüsse zu reduzieren. Auch bei der konventionellen Entwässerung von urbanen Gebieten werden als sogenannte End-of-pipe-Lösung Regenrückhaltebecken gebaut. Um allerdings mit einer Retention nicht nur die Gewässer, sondern auch die Kanalisation zu entlasten, ist ein dezentraler Rückhalt direkt am Ort des Niederschlagswasseranfalls erforderlich. Nur so ist eine Risikominimierung bei Stark- und Extremereignissen möglich.
  • Entsiegelung und Abkopplung. Bevor man allerdings Speicherräume für Niederschlagswasser von vollversiegelten Flächen schafft, ist die Entsiegelung oder Abkopplung dieser Flächen die Vorzugslösung. Durch den Austausch von versiegelten Oberflächenbelägen im Bestand und die direkte Berücksichtigung der Versiegelungsproblematik bei Neuplanungen kann der Oberflächenabfluss einfach und effektiv reduziert werden. 
  • Versickerung. Bei geeigneten Untergrundverhältnissen ist die Versickerung von Niederschlagswasser eine einfache und zuverlässige Variante der RWB. Gerade im Rahmen der Grundstücksentwässerung sind Mulden und Rigolen seit Jahrzehnten im Einsatz. Nach 1990 wurden auch vernetzte Systeme, zum Beispiel Mulden-Rigolen-Systeme, zur Abflussreduzierung bei schlecht durchlässigen Böden eingesetzt. Im Straßenraum können auch Tiefbeete verwendet werden. Durch eine geschickte Geländegestaltung lässt sich zudem noch ein höherer Hochwasser- und Überflutungsschutz herstellen, als bei konventioneller Entwässerung.
  • Verdunstung. Der bekannteste Baustein zur Erhöhung der Verdunstungsleistung eine Baugebietes ist vermutlich das Gründach. Neben den extensiv und intensiv bewirtschafteten Gründächern, von denen letztere eine deutlich höhere Verdunstungskomponente aufweisen können, bietet sich auch die Aufstockung von Tiefgaragendächern mit Speicheraufbauten an. 

Zu beachten ist, dass die bislang aufgezählten Elemente der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung sich nicht nur auf eine Komponente der Wasserhaushaltsbilanz auswirken. So begünstigt eine Mulde neben der Reduzierung des Abflusses nicht nur die Versickerung, sondern auch teilweise die Verdunstung. Weitere Beispiele für Maßnahmen mit erhöhtem, positivem Einfluss auf die Wasserbilanz sind Teiche, offene Wasserflächen, Constructed Wetlands und Grünfassaden. Die sogenannte Baumrigole kombiniert vor allem die abflussreduzierenden und verzögernden Effekte einer Tiefbeet-Rigole mit der hohen potentiellen Verdunstungsleistung eines Straßenbaums.

Eine "Grüne Stadt" ist somit zeitgleich die Lösung für Hitze- als auch die Überflutungsproblematik durch Integration der Bepflanzung in die Regenwasserbewirtschaftung (RWB).

Stand der Technik

Seit einigen Jahren ist die Versickerung als weiterer Baustein der RWB praxisrelevant geworden. Nun ist es Zeit, dass Planer, Behörden und Auftraggeber auch die Verdunstung mit in die RWB-Konzepte aufnehmen.

Das Arbeitsblatt DWA-A 138 gilt als Stand der Technik und wird seit Jahren bei Neuerschließungen und auch im Bestand, angewendet. Mit dem Entwurf des neuen Arbeitsblattes DWA-A 102 "Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer" wird erstmals der Erhalt des lokalen Wasserhaushaltes als Zielgröße formuliert. 

Ansätze im Ausland

Auch im Ausland werden die Ansätze einer ganzheitlichen Betrachtung der Regenwasserbewirtschaftung verfolgt.

  • Best Management Practices (BMP) - USA
  • Low Impact Development (LID) - Großbritanien
  • Sustainable Urban Drainage (SUDs) - Asien (China)
  • Water Sensitive Urban Design (WSUD) - wassersensible Stadtentwicklung
  • BlueGreenSolutions - Prägung durch das EU-Projekt BlueGreenDream (BGD) 

Neben dem Begriff "Schwammstadt" etabliert sich in Deutschland auch der Begriff "sponge-city".

Konklusion

Das Ziel der Schwammstadt ist, das Niederschlagswasser dort zwischenzuspeichern, wo es fällt. Ein Großteil kann über "grüne Elemente" wie Mulden, Baumrigolen, Gründächer und -fassaden verdunstet und vor Ort versickert werden, was wiederum den Abfluss stark reduziert. Dieses Prinzip ist auch kurz in folgendem Ausschnitt aus einem Beitrag von Bloomberg TV verbildlicht worden.

Der Klimawandel wird das Problem des Hitzestresses in Großstädten weiter verschärfen. Neben zunehmenden Starkniederschlägen werden auch lange Hitzeperioden eine Herausforderung für die Siedlungswasserwirtschaft werden. Die Schwammstadt imitiert den natürlichen Wasserkreislauf, erhöht die lokale Verdunstung und fördert somit in dicht besiedelten Gebieten eine erhöhte Verdunstungskühlung.

Unser Ziel ist es, dass diejenigen, die für den Umgang mit Regenwasser verantwortlich sind, diese Aufgabe weniger als "Niederschlagswasserbeseitigung" denn als Urbanes Regenwassermanagement sehen. Hierzu ist die Idee der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung zu verdeutlichen und die Botschaft zu verbreiten.

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