Sieker
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Die Regenwasserexperten

Verschmutzung von Regenwasserabflüssen


Melbourne Water


In vielen Untersuchungen zum Schmutzstoffgehalt von Regenabflüssen wird wiederholt darauf hingewiesen, dass das Ausmaß der Oberflächenverschmutzung städtischer Gebiete weder hinsichtlich der Schmutzstoffmenge noch der Schmutzstoffzusammensetzung eindeutig beschreibbar ist. Bedingt durch die wechselnden örtlichen Einflüsse, insbesondere der Flächennutzung, ist ein gleich bleibender Schmutzstoffanfall nur über sehr beschränkte Zeitabschnitte zu erwarten. Abweichungen der mittleren Konzentrationen einzelner Ereignisse bis zum Hundertfachen zeigen die Verschiedenartigkeit des Verschmutzungsabtrags als Funktion der Abfluss- und Gebietsverhältnisse. Unterschiedliche, an die Fließverhältnisse gekoppelte Abtragsprozesse führen zu einem uneinheitlichen Verlauf der Konzentrationsganglinien der Schmutzparameter. Während absetzbare Stoffe überwiegend durch die Schubkräfte des Abflusses fortbewegt werden, fließen gelöste oder suspendierte Stoffe nach hydraulischen Gesetzmäßigkeiten ab. Wilcke [1997] zeigt die große Bandbreite mittlerer und maximaler Konzentrationen ausgewählter Schmutzparameter im Regenwasser im Vergleich zum Mischwasser [Lammersen, 1997]. Die Angaben beruhen auf einer Literaturrecherche.

Die Problematik der Schadstoffbelastung von Niederschlagsabflüssen wurde in den letzten Jahren verstärkt untersucht. Dieses wurde zudem in einem BMBF-Verbundvorhaben weiter erforscht. Dementsprechend ist allein die deutschsprachige Literatur relativ vielfältig: [Borchardt, 1992], [de Vries, 1992], [Förster, Herrmann, 1996], [Göttle, 1978], [Grottker, 1987], [Golwer, Schneider, 1979], [Hahn, 1990], [Heinzmann, 1993], [Paulsen, 1987], [Xanthopoulos, 1992]).

Dass unbehandelte Regenwassereinleitungen aus der Trennkanalisation einen maßgeblichen Anteil an der Gewässerverschmutzung haben können, ist trotz der Unsicherheiten über den zeitlichen Verlauf der Konzentrationen und Frachten auch international unstrittig [Field, 1993], [Hahn, 1990]. Im Abwasserbeseitigungsplan für Berlin wird dargelegt, dass das angestrebte Ziel der Gewässergüteklasse II auch mit einer vierten Reinigungsstufe (Mikrofiltration) auf den Kläranlagen nicht erreicht werden kann, wenn die Einträge aus der Regenwasserkanalisation unverändert bleiben.

In einer Studie aus den USA wurde aufgezeigt, dass die abgetragenen Schmutzkonzentrationen von der Oberfläche örtlich sehr variabel sind. Außerdem hängen sie auch von der örtlichen Jahresregenmenge ab. Je höher die Regenmenge, desto niedriger sind die Konzentrationen, da die Schmutzmengen öfter von den  abflusswirksamen Oberflächen abgetragen und  der Entwässerungsanlage zugeführt werden [Schueler, 2003].

Um den ermittelten Schmutzkonzentrationen und -frachten einen Maßstab gegenüberzustellen und mit dieser Relativierung das Ausmaß der Belastungen durch die Regenwassereinleitungen einer objektiven und anschaulichen Bewertung zuzuführen, haben [Göttle, 1978] und [Heinzmann, 1993] in ihrer Auswertung die Mess¬ergebnisse mit Ablaufwerten mechanisch-biologischer Kläranlagen verglichen. Bei dem Vergleich stellte sich heraus, dass insbesondere die abfiltrierbaren Stoffe das größte Verschmutzungspotenzial im Regenwasserabfluss aufwiesen. Im Jahresmittel lag die AFS-Fracht (Abfiltrierbare Stoffe) des Regenwassers dreimal so hoch wie die des Kläranlagenablaufes. Im Verhältnis dazu sind die Frachten der Nährstoffe und organischen Stoffe im Regenwasser relativ gering. Eine Ausnahme sind die Nitratfrachten. [Göttle, 1978] gibt an, dass jährlich zweimal so viel Nitrat mit dem Regenwasser ins Gewässer gelangt, als theoretisch aus demselben Gebiet über das gereinigte Abwasser. Noch wesentlich gravierender ist die Bedeutung der Regenwasserverschmutzung, wenn man berücksichtigt, dass das Regenwasser stoßweise in das Gewässer fließt. Für einzelne Regenereignisse kann die Fracht der abfiltrierbaren Stoffe mehr als das doppelte der Tagesfracht des Kläranlagen-Rohabwassers betragen. In einem anderen Beispiel wird gezeigt, dass die CSB-Schmutzfracht des Regenwassers während eines Ereignisses um das Fünffache höher liegt als die des Kläranlagenablaufes, der zur gleichen Zeit in das Gewässer fließt [ITWH, 1997].

 
Verteilung der an Partikel gebundenen Schadstoffe auf unterschiedliche Korngrößen, nach: [Göttle, 1978]


Im Gegensatz dazu werden die Ergebnisse von GÖTTLE durch Xanthopoulos in Bezug auf die Schwermetalle nicht bestätigt. Nach Xanthopoulos [1990] werden die Schwermetalle an die kleinste Kornfraktion gebunden. Allerdings ist die Aufteilung der Kornfraktionen etwas unterschiedlich. Gemeinsam ist die Aussage, dass die Schwermetalle offensichtlich nicht an der Kornfraktion > 0,6 mm bzw. > 1 mm angebunden sind.

Ähnliche Ergebnisse wurden von German und Svensson [2002] berichtet. Hier wurden bei Untersuchungen von Ablagerungen im Sediment von Straßen und in Straßenabläufen festgestellt, dass die kleinen Partikelfraktionen einen proportional höheren Gehalt an Schwermetallen haben.

 
Anteil der Schwermetallbelastung an unterschiedlichen Kornfraktionen im Regenabfluss von Straßenabspülungen [Xanthopoulos, 1990]

Die AFS sind nicht nur von der Größe der Frachten her interessant. Besonders die feinkörnigen Bestandteile der abfiltrierbaren Stoffe weisen ein sehr hohes Verschmutzungs-potenzial auf, das bereits bei geringen Abflussintensitäten nahezu vollständig abgespült wird. Grottker [1987] bezeichnet die AFS als „Träger“ für andere Schmutzstoffe. GÖTTLE weist in seinen Untersuchungen darauf hin, dass mit abnehmender Korngröße der organische Anteil zunimmt. Bereits in der Luft werden die organischen Verunreinigungen an die feinsten mineralischen Partikel absorbiert. Die Bedeutung gerade dieser Fraktion wird durch die Tatsache verstärkt, dass nur ein geringer Teil durch die Straßenreinigung entfernt werden kann und somit zu einem Großteil in den Regenabfluss gelangt. Dagegen sind die gröberen Bestandteile (1.0-10 mm) erst einmal aus mehreren Gründen von vergleichsweise geringerer Bedeutung [Göttle, 1978], d.h.:

  • sie machen gewichtsmäßig nur ca. 20% der Gesamtverschmutzung aus,
  • sie beinhalten ein geringeres Schmutzpotenzial als die Feinschmutzstoffe,
  • sie werden erst bei größeren Niederschlagsintensitäten abgetragen,
  • sie sind durch die meisten Behandlungsmethoden gleichermaßen gut zurückzuhalten.

Allerdings muss man sich nach German und Svensson [2002] auch dieser Fraktion widmen, da sie im Laufe der Zeit auf der Straße durch mechanische Prozesse oder durch den Zerfall zerkleinert wird. Als Folge davon können sie ausgetragen werden. Für weiterhin zurückgehaltenes Feinmaterial kann auf Grund der vergrößerten Oberfläche aber auch mehr Schadstoffe gebunden werden als zuvor.Letzteres gilt insbesondere für organisches Material.


Korngrößenverteilung organischer und mineralischer Feststoffe im Regenabfluss, aus: [Göttle, 1978]


Organische Bestandteile im Regenwasserabfluss in Abhängigkeit vom Teilchendurchmesser, nach: [Göttle, 1978]

Ein weiterer Aspekt zeichnet die AFS als wichtigen Parameter aus: aus den Untersuchungen von Heinzmann [1993] und Göttle [1978] geht hervor, dass eine mittlere bis hohe Korrelation zwischen den AFS und den absetzbaren Stoffen sowie den Parametern CSB, BSB5, organischer Stickstoff (Norg), Gesamtphosphor (Pges) und den Schwermetallen besteht. Das bedeutet, es lassen sich aus den Simulationsergebnissen der AFS Aussagen zu anderen Schmutzstoffen ableiten. Diese Korrelationen scheinen jedoch nicht unumstritten zu sein, da Grottker [1987] in seinen Untersuchungen zur Regenwasserverschmutzung in Hildesheim diese Korrelationen nicht feststellte.

In früheren Messprogrammen, in denen das Hauptaugenmerk auf den sauerstoffzehrenden Substanzen und Nährstoffen lag, wurden die AFS als Beschreibung des Feststoffgehaltes untersucht. Neuere Untersuchungen, die die große Bedeutung der anthropogenen Schadstoffe (Schwermetalle, PAK etc.) im Regenabfluss in ihrem Messumfang mit berücksichtigen ([Grottker, 1987], [Heinzmann, 1993], [Xanthopoulos, 1992]), dokumentieren die Korrelation zwischen den AFS und diesen „gefährlichen Stoffen“ (im Sinne des WHG §7a). Die AFS sind somit die Schnittstelle zwischen neueren und früheren Messprogrammen [Xanthopoulos, Hahn, 1995]. Der Parameter AFS ist der einzige, der in fast allen Messprogrammen untersucht worden ist.

Besonderes Augenmerk verlangt der Parameter Keime. Einleitungen aus Trennkanalisationen weisen i.a. relativ hohe Keimzahlen auf. Die Keimzahlen im Gewässer sind wiederum Kriterium im Sinne der EU-Badeverordnung und müssen deshalb bei einer am Gewässer orientierten Betrachtung berücksichtigt werden.


Gemessene Straßen- und Dachablaufwerte aus der Literatur, k.W. = keine Werte, [Göttle, 1978], [Grottker, 1987], [Xanthopoulos, 1990], [Heinzmann, 1993], [Hahn, Xanthopoulos, 1995]

In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die hohen Ablaufwerte von Straßenabflüssen hoch frequentierter Straßen stammen. Grottker [1987] gibt Abtragswerte für Schwermetalle unterschiedlicher Straßentypen an. Es wird deutlich, dass die Belastung durch den Abtrag mit der Verkehrsbelastung zunimmt.

In der folgenden Tabelle sind Messwerte von Stadtautobahnabläufen aus einem Messprojekt in Berlin dargestellt [Sommer H. et al., 2002]. Verglichen mit der vorigen Tabelle entsprechen diese Werte eher mittleren bis hohen Belastungen. 


Gemessene Stadtautobahnablaufwerte aus einem Messprojekt in Berlin

Eine der umfangreichsten Datensammlungen zur Frage der Schadstoffkonzentrationen im Regenabfluss in Trennsystemen im Vergleich zu den Konzentrationen in Mischwasser-überläufen und Kläranlagenabläufen ist als Abschlussbericht zur Forschungsarbeit " Datenpool gemessener Verschmutzungskonzentrationen von Trocken- und Regenwetterabflüssen in Misch- und Trennkanalisationen" von Hansjörg-Brombach und Stephan Fuchs, gefördert durch den ATV/DVWK Forschungsfonds 2001 Fertigstellung: 31.01.2002 [Brombach, Fuchs, 2002], erschienen. Die Arbeit enthält Daten aus insgesamt 176 Berichten über Messungen in Kanalisationen, wovon 79 auf Trennkanalisationen und 97 auf Mischkanalisationen entfallen. Die Daten stammen aus 17 Ländern mit vergleichbaren Entwässerungsstandards, insbesondere aus den USA und aus Deutschland. Die Daten untergliedern sich nach den vier Komponenten:

  •  Niederschlagsabfluss in der Trennkanalisation
  • Trockenwetterabfluss in der Mischkanalisation
  • Mischwasserabfluss in der Mischkanalisation und
  • Überlaufwasser der Mischkanalisation

Statistisch analysiert wurden die Daten von 20 Verschmutzungsparametern, die in der folgenden Tabelle dargestellt sind:


Statistisch ausgewertete Parameter

Die Bandbreite, die Medianwerte und die Standardabweichungen der Konzentrationen der wichtigsten Parameter sind in den folgenden Tabellen dargestellt.

 


Bandbreite der Konzentrationen der Parameter pH, AFS, Leitfähigkeit (LF) in Trennkanalisation, Trockenwetterablauf, Mischwasserablauf und Mischwasserüberläufen [Brombach, Fuchs, 2002]


Bandbreite der Konzentrationen der Parameter BSB5, CSB, NH4-N, NO3-N und P in Trennkanalisation, Trockenwetterablauf, Mischwasserablauf und Mischwasserüberläufen  [Brombach, Fuchs, 2002]

 


Bandbreite der Konzentrationen der Parameter Schwermetalle in Trennkanalisation, Trockenwetterablauf, Mischwasserablauf und Mischwasserüberläufen [Brombach, Fuchs, 2002]

 

 

 

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