Wasserhaushaltsgesetz
Die Neufassung des WHG sollte ursprünglich im Rahmen des Umweltgesetzbuches (UGB) erfolgen. Nach dem Scheitern des UGB wurde der Teil Wasser nahezu unverändert herausgelöst und als einzelnes Gesetz noch 2009 in der alten Legislaturperiode beraten und verabschiedet. Damit wird vor allem der Föderalismusreform Rechnung getragen, gemäß der das Wasserrecht zukünftig der konkurrierenden Gesetzgebung und nicht mehr der Rahmengesetzgebung unterliegt.
Konkurrierende Gesetzgebung bedeutet, dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung haben, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Artikel 72 GG).
Anforderungen an Anlagen zur (Regen-) Abwasserbehandlung fallen damit zukünftig in die Kompetenz des Bundes.
Gesammeltes Niederschlagswasser ist Abwasser
Vor der WHG-Novelle waren Regenwasserabflüsse nur indirekt über das Abwasserabgabengesetz als Abwasser eingeordnet. In WHG §54 ist Niederschlagswasser nun explizit als Abwasser definiert, sofern es aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen stammt und gesammelt zum Abfluss kommt. End-of-Pipe-Anlagen in Regenwasserkanalisationen oder auch Versickerungsanlagen bzw. Mulden-Rigolen-Systeme sind damit eindeutig rechtlich als Abwasserbehandlungsanlage einzustufen.
Andere Formen der Regenwasserbewirtschaftung wie z.B. durchlässige Pflasterbeläge oder Dachbegrünungen sind dagegen keine Abwasseranlagen, da hier das Niederschlagswasser nicht gesammelt zum Abfluss kommt. Auch Abflüsse von Außenflächen sind kein Niederschlagswasser im Sinne des Gesetzes.
Grundsätze der Abwasserbeseitigung
Die WHG-Novelle hat für die Regenwasserbewirtschaftung etliche Neuerungen gebracht. In § 55 (Grundsätze der Abwasserbeseitigung) Absatz 2 heißt es:
„Niederschlagswasser soll ortsnah versickert, verrieselt oder direkt oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden, soweit dem weder wasser-rechtliche noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften noch wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen“.
In der Begründung des Deutschen Bundestages zum Gesetzestext (Deutscher Bundestag, 2009a) wird darauf hingewiesen, dass damit dem Grundsatz einer nachhaltigen Niederschlagswasserbewirtschaftung Rechnung getragen wird, wie er bereits in verschiedenen Landeswassergesetzen enthalten ist. Es wird betont, dass „Die Vorschrift relativ weit und offen formuliert (Sollvorschrift) ist, um den unterschiedlichen Verhältnissen vor Ort (z. B. vorhandene Mischkanalisationen in Baugebieten) Rechnung tragen zu können. Sie hat nur für die Errichtung von neuen Anlagen Bedeutung; bereits bestehende Mischkanalisationen können daher im bisherigen Umfang weiter betrieben werden“.
Der Änderungsvorschlag des Bundesrates (Deutscher Bundestag, 2009b) zu §55 sah vor, die Passage „oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser“ herauszunehmen und stattdessen den Text „soweit dies mit vertretbarem Aufwand möglich ist“ einzufügen. Als Begründung wurde vom Bundesrat angeführt, dass Mischsysteme nicht generell ausgeschlossen werden sollten, da sie bei Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik (DWA A128) eine „angemessene Form der Abwasserbeseitigung darstellen“. Weiterhin wird als Begründung angeführt, dass „mancherorts eine Versickerung wegen der geologischen Gegebenheiten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre“. Der Bundestag hat diesen Änderungsvorschlag mit der Begründung zurückgewiesen, dass „den Verhältnismäßigkeitsaspekten in der flexibel formulierten Vorschrift (Sollvorschrift) bereits hinreichend Rechnung getragen“ wird.
Niederschlagswasser-Freistellungsverordnung
In § 46 (Erlaubnisfreie Benutzungen des Grundwassers) Absatz 2 wird der Gesetzgeber ermächtigt, in einer Freistellungsverordnung die erlaubnisfreie Versickerung zu regeln: „Keiner Erlaubnis bedarf ferner das Einleiten von Niederschlagswasser in das Grundwasser durch schadlose Versickerung, soweit dies in einer Rechtsverordnung nach § 23 Absatz 1 bestimmt ist“.
Gemäß der Begründung zum Gesetzestext (Deutscher Bundestag, 2009a) „trägt diese Regelung dem Umstand Rechnung, dass die Versickerung von Niederschlagswasser nach § 55 Absatz 2 künftig eine grundsätzlich vorrangige Art der Niederschlagswasserbeseitigung sein soll“. Der Änderungsvorschlag des Bundesrates sah vor, diesen Absatz komplett zu streichen. Als Begründung wurde angeführt, dass mit einer bundeseinheitlichen Regelung die regional differierenden Bedingungen kaum berücksichtigt werden könnten. Die Bundesregierung argumentierte dagegen, dass mit entsprechenden differenzierenden Regelungen auch lokal variierenden Bedingungen Rechnung getragen werden kann.
Aktuell (Stand Ende 2015) existiert keine bundesweit gültige Niederschlagswasser-Freistellungsverordnung. Allerdings verfügen die meisten Bundesländer über eine entsprechende Länderregelung.
Einleiterlaubnisse
Eine weitere, gravierende Neuerung im Bezug auf die Regenwasserbewirtschaftung bringt §57 (Einleiten von Abwasser in Gewässer) Absatz 1:
„Eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Direkteinleitung) darf nur erteilt werden, wenn 1. die Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist, …“.
Gegenüber dem alten §7a WHG wird damit nicht mehr nur die Schadstofffracht sondern Menge und Schädlichkeit des Abwassers als Kriterium für die Begrenzung eingeführt. Naturgemäß ist dies für die Abwasserart Regenwasser von besonderer Bedeutung. Für die Erarbeitung eines „Anhang Regenwassers“ zur Abwasserverordnung, der bereits seit einigen Jahren in der Diskussion ist (Sieker, 2008), hätte dies zur Konsequenz, dass der Stand der Technik nicht nur Anforderungen an die Begrenzung stofflicher Belastungen sondern auch an die Menge (Spitzenabflüsse) und sonstige Schädlichkeit (z.B. hydraulischer Stress) berücksichtigen muss. Für die Bestimmung des Standes der Technik sind in Anlage 1 des WHG explizit Kriterien formuliert.
Allgemeine Sorgfaltspflichten und Grundsätze
Weiterhin sind noch §5 (Allgemeine Sorgfaltspflichten) und §6 (Allgemeine Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung) erwähnenswert. §5 Absatz 1 lautet:
„Jede Person ist verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um 1. eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften zu vermeiden, 2. eine mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt gebotene sparsame Verwendung des Wassers sicherzustellen, 3. die Leistungsfähigkeit des Wasserhaushalts zu erhalten und 4. eine Vergrößerung und Beschleunigung des Wasserabflusses zu vermeiden“.
In §6 (Allgemeine Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung) heißt es u. a.:
(1) Die Gewässer sind nachhaltig zu bewirtschaften, insbesondere mit dem Ziel, …, 6. an oberirdischen Gewässern so weit wie möglich natürliche und schadlose Abflussverhältnisse zu gewährleisten und insbesondere durch Rückhaltung des Wassers in der Fläche der Entstehung von nachteiligen Hochwasserfolgen vorzubeugen.
In beiden Paragraphen findet sich damit für die Regenwasserbewirtschaftung eine weitere Motivation, Abflüsse bereits in der Fläche zurückzuhalten und dem natürlichen Wasserkreislauf zuzuführen. Regenwasserbewirtschaftungskonzepte sollten dies berücksichtigen.
Hochwasserdefinition
Mit dem neuen WHG wurde auch die Hochwasserrisiko-Managementrichtlinie (HRWM-RL) in nationales Recht überführt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Hochwasserbegriff gemäß WHG keine Überflutungen von Kanalnetzen (Sielnetzen) umfasst. Gemäß Artikel 2 der HRWM-RL ist Hochwasser definiert als “zeitlich beschränkte Überflutung von Land, das normalerweise nicht mit Wasser bedeckt ist; …; Überflutungen aus Abwassersystemen können ausgenommen werden“. Die EU hatte den Mitgliedsstaaten damit freigestellt, den Hochwasserbegriff so zu definieren, dass auch derartige Ereignisse durch die Richtlinie erfasst werden. Der deutsche Gesetzgeber hat davon jedoch (noch) keinen Gebrauch gemacht (s. § 72 WHG Hochwasser).