Sieker
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Die Regenwasserexperten

DWA A128 / M177

Das DWA-Arbeitsblatt A128 [ATV A128, 1992] in der Fassung von 1992 (!!) behandelt die Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungen in Mischwasserkanälen.

A128 unterscheidet Normalanforderungen und weitergehende Anforderungen entsprechend der Gewässersituation. Das im Anschluss an die Vorbemerkungen erläuterte Verfahren dient der Bemessung von Mischwasserbehandlungsanlagen bei Normalanforderungen. Weitergehende Anforderungen im Falle eines besonderes Schutz- oder Bewirtschaftungsbedürfnisses sind gemäß A128 auf der Grundlage von Immissionsbetrachtungen zu stellen.

Entgegen den allgemeinen Formulierungen in den Vorbemerkungen, behandelt das Bemessungsverfahren ausschließlich den Bau von Speichervolumen und die gedrosselte Ableitung des Regenwassers zur Kläranlage. Die Dimensionierung dieser Speicherräume geht von der Überlegung aus, dass   niederschlagsbedingt   aus einem Mischsystem nicht mehr Schmutzstoffe direkt in das Gewässer gelangen sollen als aus einem Trennsystem. Als kennzeichnende Schmutzgröße wurde die CSB-Jahresfracht gewählt. Aus vorliegenden Messungen in Trennsystemen wurde abgeleitet, dass aus diesen im Durchschnitt 500-600 kg CSB pro ha Ared und Jahr direkt in die Gewässer gelangen (unter der Annahme, dass keine Regenwasserbehandlung erfolgt!). Da bei Mischsystemen der Austrag niederschlagsbedingter Schmutzmengen in die Gewässer auf zwei Wegen erfolgt - über die Kläranlage einerseits und die Mischwasser-Entlastungsbauwerke andererseits - muss die „zulässige“ CSB-Austragsfracht von 500-600 kg auf diese beiden Wege aufgeteilt werden. Der Einfachheit halber und weil es auf wirtschaftlich vertretbare Speichervolumina führt, hat man sich für eine Halbierung der Stoff¬ströme entschieden, d. h. die „zulässige“ Entlastungsfracht an den Mischwasser-Entlastungs¬bauwerken soll 250-300 kg CSB pro ha Ared und Jahr betragen.

Das Arbeitsblatt A128 wird in der Fachöffentlichkeit mittlerweile sehr kontrovers diskutiert. Auf Anregung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) hat sich eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe der ATV mit der Überarbeitung/Ergänzung dieses Arbeitsblattes befasst. Ergebnis ist das Merkblatt M 177, quasi einen Erläuterung zur Anwendung des A 128. Grundlegende Änderungen wollte die Arbeitsgruppe trotz entsprechender Forderungen aus der Fachwelt nicht berücksichtigen. Hauptkritikpunkte am A 128 sind:

  • Der Zielparameter CSB-Jahresfracht. Die CSB-Fracht stellt weder für akute bzw. verzögerte Wirkungen noch für Langzeitwirkungen einen relevanten Parameter dar (s. Grafik)

  • Die Vorgabe einer einzigen Maßnahme. Das A128 beschreibt einzig die Rückhaltung vom Mischwasser (in RÜB oder SK) als mögliche Maßnahme der Mischwasserbehandlung, obwohl es weitere Möglichkeiten (Bodenfilter, Abkopplung, Erhöhung Kläranlagenbeschickung) gibt. Die korrekte Bemessung der Maßnahme RÜB wird zum Ziel der Planung gemacht. Das eigentlich zugrunde liegende Ziel der Einhaltung einer jährlichen CSB-Entlastungsfracht von 250 kg/hared ist nur implizit enthalten und wird nur in Fachveröffentlichungen erwähnt.

  • Die Anwendung von A128 führt zu Entlastungshäufigkeiten von ca. 30-40 Ereignissen pro Jahr. Diese Werte liegen weit über den internationalen Standards. In den Niederlanden sind z.B. nur noch maximal 6-8 Überlaufereignisse pro Jahr zulässig. Schon allein deshalb stellt A128 nicht mehr den Stand der Technik dar, da sich dieser Begriff auf die europäische  Praxis bezieht.

Nach Einschätzung des Autors stellt das A128 eine überholte Regel der Technik dar. Keinesfalls repräsentiert das A128 den heutigen Stand der Technik bei der Mischwasserbehandlung. Eine alleinige Anwendung des A128 garantiert nicht die Erreichung der Ziele der EG-WRRL, da z.B. keine Anforderungen an hydraulische Einflüsse gestellt werden. Das A128 sollte deshalb nur übergangsweise in Verbindung mit zusätzlichen Anforderungen (z.B. in Verbindung mit BWK M3/M7) verwendet werden.
 
Es ist vorgesehen, das A128 mit dem M153 im neuen DWA A102 zusammenzuführen (Schmitt, 2014)

Literatur

  • Schmitt (2014): Weiterentwicklung des Regelwerks zur Einleitung von Regenwetterabflüssen in Gewässer, 17. Symposium Flussgebietsmanagement beim Wupperverband

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Wegweiser

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Autor
Prof. Dr.-Ing. Heiko Sieker
+49 3342 3595-0
h.sieker[at]sieker.de