Sieker
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Die Regenwasserexperten

Trockenheit im östlichen Berliner Umland

In den letzten beiden Jahren gibt es vermehrt Meldungen über fallende Wasserstände oder sogar ausgetrocknete Gewässer im östlichen Berliner Umland. Ein Beispiel dafür ist der Krumme See in der Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf (Abbildung 1).

Abbildung 1: Krummer See in Vogelsdorf (Aufnahme vom 30.9.2015, H. Sieker)

Neben den ökologischen Folgen insbesondere für Fische und Amphibien hat diese Entwicklung auch ganz praktische Probleme. In Strausberg konnte beispielsweise das historische Schwimmbad nicht in vollem Umfang geöffnet werden.

Die Karte in Abbildung 2 zeigt Beispiele für Gewässer mit derartigen Problemen.

Abbildung 2: Übersichtskarte Gewässern mit Trockenheitsproblemen, Grundkarte: www. Openstreetmap.org

Details zu den in der Karte gezeigten Beispielen finden sich in den nebenstehenden Artikeln.

Mögliche Ursachen für die sinkenden Wasserstände

Lokale Ursachen

In der Bevölkerung und der lokalen Presse werden verschiedenste Ursachen für die gesunkenen Wasserstände diskutiert. Dabei werden häufig lokale Ursachen angeführt. Am Straussee wurden beispielsweise folgende Gründe genannt [1] [2] [3] [4] [5]:

  • Golfplatz Wilkendorf: Entnahme für die Bewässerung der Grünflächen
  • Kampfmittelberäumung
  • Entnahme für die Kühlung der Sparkassenzentrale in Strausberg
  • Wasserwerk Spitzmühle am Bötzsee
  • Rüdersdorfer Gaskavernen

Zu allererst ist zu überlegen: selbst wenn einer dieser Gründe für den gesunkenen Wasserstand im Straussee verantwortlich sein sollte, wie erklären sich dann die Phänomene an den anderen Gewässern, wie z.B. denen im Einzugsgebiet der Wuhle? Diese Gewässer liegen mehr als 20 km entfernt. Eine direkte Beeinflussung durch die oben genannten Gründe ist ausgeschlossen. Es wäre schon ein sehr großer Zufall, wenn an allen Gewässern zeitgleich (2015/2016) jeweils örtliche Ereignisse maßgebend wären.

Im Einzelnen ist zu den oben genannten Spekulationen folgendes anzumerken

  1. Golfplatz Wilkendorf: ein Absinken des Straussees um 75 cm bedeutet bei einer Fläche von 1,36 km² einen Wasserverlust von ca. 1 Mio. Kubikmeter. Die Wasserentnahme durch den Golfplatz beträgt aber nur ca. 60.000 m³ pro Jahr also gerade einmal 6% des Defizites. Hinzu kommt, dass die Entnahme nicht aus dem Straussee erfolgt, sondern aus dem deutlich tiefer liegenden Hauptgrundwasserleiter [6]. Die Bewässerung des Golfplatzes kann somit zumindest als alleinige maßgebende Ursache ausgeschlossen werden.
  2. Kampfmittelberäumung: Im August 2001 und im Juni 2004 wurden zur Gefahrenabwehr Kampfmittel im Straussee gesprengt. Es wurde spekuliert, dass durch die Sprengung „ein Loch“ in den Seegrund gerissen wurde und dieser nun „leerläuft“. Wenn dies stimmen würde, warum tritt der Effekt dann erst  mehr als 10 Jahre später auf? Eine statistische Analyse der Wasserstandsdaten durch das ZALF hat gezeigt, dass hier kein Zusammenhang besteht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Straussee ohnehin im direkten Kontakt mit dem oberen Grundwasserleiter steht. Ein „Leerlaufen“ könnte nur dann eintreten, wenn durch die Sprengung eine Verbindung zum Hauptgrundwasserleiter hergestellt worden wäre. Diese Vorstellung ist jedoch bei den viele Meter mächtigen Geschiebelehmschichten nicht nachvollziehbar.
  3. Kühlung der Sparkassenzentrale: Für die Entnahme zur Kühlung der Sparkassenzentrale gilt das Gleiche wie für den Golfplatz. Bezogen auf die Defizite in einer Größenordnung von mehr als 1 Mio. m³ pro Jahr ist diese Entnahme nicht substantiell. Positiv wirkt sie allerdings auch nicht, insofern sollte überlegt werden, ob nicht zumindest der Rücklauf wieder in den See eingeleitet werden könnte (selbstverständlich ist hierbei die Qualität des Wassers zu beachten).
  4. Wasserwerk Spitzmühle: In dem Artikel vom 16.05.2016: „Straussee bei Berlin - Ist dieser See nicht ganz dicht?“ fragt der Berliner Kurier:  „Steckt wirklich das Wasserkraftwerk dahinter?“  [5]. Gemeint ist natürlich das Wasserwerk an der Spitzmühle am Bötzsee.
    Zum Wasserwerk ist folgendes anzumerken:

    • Neu ist die Wasseraufbereitungsanlage (Fertigstellung 2014), die Brunnen selbst wurden nicht erneuert und befinden sich seit vielen Jahren an denselben Stellen.
    • Das Wasserwerk liegt am Nordende des Bötzsees, nicht am Straussee.
    • Die Brunnengalerie befindet sich entlang des Spitzmühlenwegs im (oberirdischen) Einzugsgebiet des Bötzsees.
    • Die Brunnen entnehmen Wasser aus dem tiefer gelegenen Hauptgrundwasserleiter (Tiefe ca. 70 m).
    • Ob zwischen dem oberen Grundwasserleiter des Bötzsees (Gamengrund) bzw. sogar dem Grundwasserleiter des Straussees (Lattgrundrinne) und dem Hauptgrundwasserleiter eine hydraulische Verbindung besteht, ist derzeit nicht abschließend geklärt.
    • Die Fördermenge des Wasserwerks variiert über die Jahre. Naturgemäß steigt der Verbrauch in Jahren mit heißen Sommern (Bewässerung). Die Jahre 2014-2016 waren nicht nur sehr trocken, sondern auch überdurchschnittlich warm (im Sommer). Der Wasserverbrauch stieg dem entsprechend an.

    Ob und ggf. in welchem Maße das Wasserwerk Spitzmühle am Bötzsee einen Einfluss auf den Wasserstand im Straussee haben kann, soll im Rahmen eines Forschungsprojektes untersucht werden [7]. Selbst wenn sich in dieser Untersuchung ein Zusammenhang herausstellen sollte, bleibt die Frage nach den Konsequenzen. Das Wasserwerk versorgt die Bevölkerung in Strausberg und den westlich gelegenen Gemeinden (Hoppegarten, Neuenhagen, Fredersdorf-Vogelsdorf, Petershagen-Eggersdorf) mit Trinkwasser.

  5. Rüdersdorfer Gaskavernen
    Im Umweltausschuss der Stadt Strausberg hatten Mitglieder angeregt, bei der Untersuchung der Ursachen auch die Rüdersdorfer Gaskavernen zu betrachten.

Klimatische Ursachen

Aufgrund der großen Ausdehnung der Problematik liegt es nahe, nach überregionalen Ursachen für die Wasserdefizite zu suchen.

Abbildung 3 zeigt die vom Deutschen Wetterdienst (DWD) an der Station Tempelhof gemessenen Jahresniederschlagssummen. Deutlich sichtbar sind die unterdurchschnittlichen Niederschlagsmengen in den letzten drei Jahren (2014-16). Siehe dazu auch einen Artikel im Berliner Tagesspiegel.

Andere Stationen in Berlin und östlich von Berlin (z.B. Lindenberg) zeigen ein ähnliches Bild. An der DWD-Station Berlin-Tegel wurden 2016 gerade einmal 428 mm Jahresniederschlag gemessen (www.wetter-kontor.de). Der langjährige Durchschnitt liegt hier bei 550 mm, was im deutschlandweiten Vergleich (~790) ohnehin sehr wenig ist.

Auch die (nicht-amtlichen) Messungen des Wasserverbandes Strausberg-Erkner bestätigen die geringen Niederschläge in den letzten Jahren. Im Jahr 2014 wurden nur 326 mm gemessen!

Abbildung 3: Jahresniederschlagssummen, DWD-Station Tempelhof (Daten-Quelle: DWD)

Zu den geringen Niederschlägen kommen noch die überdurchschnittlichen Temperaturen hinzu (Abbildung 5). Durch die erhöhte Temperatur steigt die Verdunstung, sowohl die direkte Verdunstung aus dem See, als auch die erhöhte Verdunstung über Pflanzen und Boden („Evapotranspiration“). Letzteres vermindert die Grundwasserneubildung im Einzugsgebiet.

Abbildung 4: Jahresniederschlagssummen, Strausberg (Daten-Quelle: W-S-E)
Abbildung 5: Jahresmitteltemperatur, DWD-Station Tempelhof (Daten-Quelle: DWD)

Die Daten zeigen eindeutig, dass es in den letzten drei Jahren deutlich weniger Niederschläge und gleichzeitig eine höhere Verdunstung in der Region gegeben hat. Beides zusammen führt dazu, dass die Grundwasserneubildung herabgesetzt wurde und somit für die Speisung der Gewässer weniger Wasser zur Verfügung stand.

Bei der Gegenüberstellung von Wasserstand (z.B. im Straussee) und den Klimadaten ist zu berücksichtigen, dass die Effekte erst mit einer gewissen Zeitverzögerung eintreten. So wirken sich die geringen Niederschläge im Jahr 2014 erst im Folgejahr 2015 gravierend auf den Wasserstand aus.

Ausblick

Auch der Winter 2016/2017 war bislang deutlich zu trocken. Die Niederschlagsmenge lag an den Berliner Stationen und auch an der Station Strausberg deutlich unter dem langjährigen Mittel (Abbildung 6). Es ist zu befürchten, dass im Sommer 2017 die Wasserstände erneut deutlich absinken bzw. auf niedrigem Niveau bleiben.

Abbildung 6: Monatsniederschläge im Winter 2016/2017 (Daten-Quelle: DWD)

Mögliche Gegenmaßnahmen

Vorrangiges Ziel muss es sein, soviel Wasser wie möglich im Gebiet zu halten!

Maßnahmenvorschläge finden sich z.B. in folgenden Quellen

  • Gewässerentwicklungskonzept (GEK) Erpe.
  • Lokale Agenda Petershagen/Eggersdorf  (2015): „Wie geht es unserem Wasser?“ [8]
  • INKA BB: „Innovationsnetzwerk Klimaanpassung Brandenburg  –  Berlin“, www.inka-bb.de
  • ZALF Vorstudie für eine Machbarkeitsstudie „Stabilisierung des Wasserhaushaltes des Straussees“ [6]

Mögliche Maßnahmen allgemeiner Art:

  • Gewässerrenaturierung
  • Anpassung der Gewässerunterhaltung: Verzicht auf übermäßiges Beräumen der Gewässer durch den Wasser- und Bodenverband
  • Maßnahmen in der Forstwirtschaft (Rücknahme von Nadelwald)
  • Rückbau von Dränagen
  • Regenwasserversickerung in Siedlungsgebieten

Konkrete Maßnahmen in der Region

  • Gereinigtes Abwasser in der Region halten: Abwasser aus Strausberg, Fredersdorf, Neuenhagen, etc. wird aktuell nach Münchehofe gepumpt.
  • Am Krummen See: Auffüllen mit Grundwasser (Tiefbrunnen), aber nur nach vorheriger Abdichtung der (sandigen) Seesohle

Weblinks

[1] MOZ (31.08.2015): „Rätselraten um Wasserverlust“
[2] MOZ (01.07.2016): „Straussee-Pegel sinkt und sinkt“
[3] MOZ (20.08.2016): „Befürchtungen um Straussee“
[4] MOZ (06.09.2016): „Wir sind nicht die Verursacher“
[5] Berliner Kurier (16.05.2016):  „Straussee bei Berlin: Ist dieser See nicht ganz dicht?“
[6] ZALF (2009): Vorstudie für eine Machbarkeitsstudie „Stabilisierung des Wasserhaushaltes des Straussees“, erstellt durch das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.
[7] MOZ (21.07.2016):  „Schöneiche sitzt auf dem Trockenen“
[8] Lokale Agenda Petershagen/Eggersdorf (2015): „Wie geht es unserem Wasser?“

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