Ermittlung der CSB-Behandlungskapazität eines Klärwerks
Aufgabenstellung, Vorgehensweise bei der Simulation
Die Betriebserlaubnis eines Klärwerks für einen Chemiestandort limitiert die CSB-Fracht im Zulauf auf 20 t pro Tag. Es wird angenommen, dass Kapazitätserweiterungen bei vorhandenen Anlagen oder die Ansiedlung neuer Anlagen praktisch ausgeschlossen sind. Die Aufgabe besteht darin, im Wege der dynamischen Kläranlagensimulation mit dem Programmsystem STOAT zu untersuchen, inwieweit von der bestehenden Anlage auch höhere Zulauffrachten ohne aufwendige Investitionen und ohne Gefahr der Verletzung gültiger Überwachungswerte geschultert werden können.
Ausgehend von Informationen eines fiktiven Auftraggebers wird zunächst ein Modell der Anlage mit allen relevanten Behandlungsstufen, deren Verschaltung und Bemessung (z.B. Reaktorgeometrie) erstellt.
Im zweiten Schritt werden mit diesem Modell Rechnerläufe durchgeführt, die den Betrieb der Anlage im Verlaufe eines gesamten Jahres nachvollziehen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die verfügbaren Daten für den Betrieb in Abstimmung mit der zuständigen Behörde gewählt wurden und es sich um eine ausreichende Menge an repräsentativen Daten handelt.
Bei dem gewählten Szenario muss davon ausgegangen werden, dass die Vorbereitung der Rechnerläufe mit einem großen Arbeitsaufwand verbunden ist. Zuvor müssen aus den Messwerten der Abwassereigenkontrolle und den Aufzeichnungen der Prozessleitsysteme/SPS bzw. Online-Messgeräte die Input Dateien für das Modell generiert, sowie die erforderlichen Einstellungen zur Abbildung der Fahrweise der Anlage bestimmt werden (z.B. Leistung der Belüftungsaggregate, Rücklaufschlammmenge und Überschussschlammentnahme). Bei den Input Dateien ist der erforderlichen Aufteilung des CSB und des Gesamtstickstoffs im Abwasserzulauf auf die verschiedenen Fraktionen entsprechend den Anforderungen des zugrunde liegenden Modells besonderes Augenmerk zu widmen.
Der dritte Schritt besteht darin, das Modell an Hand der vorliegenden Messwerte aus dem Betrieb der Anlage zu kalibrieren (Gegenüberstellung Simulationsergebnisse der Rechnerläufe mit STOAT und der Messwerte aus der Abwassereigenkontrolle des Unternehmens). Bestimmte Voreinstellungen, wie zum Beispiel Wachstumsraten der heterotrophen und autotrophen Organismen, werden dahingehend angepasst, dass die Simulationsergebnisse mit den real gemessenen Abbauleistungen der Anlage hinreichend genau übereinstimmen.
Mit dem so kalibrierten Modell werden anschließend Rechnerläufe durchgeführt, wobei die CSB-Zulauffracht schrittweise erhöht wird, um die maximal aufnehmbare CSB-Zulauffracht zu bestimmen.
Erläuterungen zum Modell
Im Wesentlichen besteht das Klärwerk aus drei Stufen:
1. Kohlenstoffbiologie
2. Nitrifikation
3. Nachgeschaltete Denitrifikation
Die folgende Abbildung zeigt das STOAT-Modell der untersuchten Prozesse.
Das Abwasser des Chemiestandorts wird der ersten biologischen Stufe, der Kohlenstoffbiologie, zugeführt. Das auf der Kläranlage mitbehandelte Kommunalabwasser ist geringer belastet und wird deshalb gleich in die zweite Biostufe, die Nitrifikation geführt. Einige Teilströme des Chemieabwassers durchlaufen noch eine Vorbehandlung, bevor sie in die biologischen Behandlungsstufen des Klärwerks übernommen werden. Diese Vorbehandlungsschritte sind im Modell nicht abgebildet. Im Modell ist die nachgeschaltete Denitrifikation ebenfalls nicht abgebildet, weil der CSB in dieser Stufe kaum verändert wird.
Die schrittweise Erhöhung des CSB erfolgte in Szenarien. Die Szenarien werden so angelegt, dass die Dynamik innerhalb der CSB-Messreihe des zugrunde gelegten Betrachtungszeitraums erhalten bleibt. Das heißt, es wird eine Art “Parallelverschiebung der Messwerte nach oben” vorgenommen. Als Formel lässt sich das wie folgt ausdrücken:
CSBLastfall = gemessener CSB x gewählte Fracht des Lastfalls (Mittelwert) ⁄ Mittelwert der Fracht der Jahresreihe gemäß Messung
Zum besseren Verständnis soll dies am konkreten Beispiel der Ermittlung eines einzelnen CSB-Werts innerhalb eines Szenarios noch einmal erläutert werden:
Größe | Wert bzw. Berechnung |
CSB gemessen | 2 400 mg/ |
arithmetischer Mittelwert der CSB-Frachten der zugrunde gelegten Jahresreihe gemäß Messung | 17.64 t/d CSB |
gewählter Lastfall | 22 t/d CSB |
CSBLastfall 22 t/d | 2 400 mg/l x 22 ⁄ 17.64 = 2 993 mg/l |
Bei den Rechnerläufen mit den so ermittelten Szenarien zeigt sich, dass die biologischen Behandlungsstufen des Klärwerks allein nicht ausreichen, um Belastungsspitzen aus Szenarien mit höheren CSB-Frachten abzufedern. In diesem Beispiel verfügt das Klärwerk jedoch über ausreichend große Stapelkapazitäten, die im Falle des Auftretens einer Belastungsspitze zur vorübergehenden Aufnahme von Abwasser genutzt werden können. Dies wird (ausgehend von einer behördlichen Zustimmung) bei den Rechnerläufen zur Ermittlung der CSB-Behandlungskapazität der Anlage berücksichtigt.
Steuerung der Befüllung des Stapeltanks
Je nachdem wie hoch die aus der Kohlenstoffbiologie ablaufende Fracht ist, wird das Abwasser entweder vollständig oder nur teilweise der zweiten Biostufe übergeben. Ist die CSB-Fracht nach der ersten Biostufe höher als die Nitrifikation “verkraften” kann, wird jener Teil der CSB-Fracht, der die für die zweite Biostufe zulässige Größe überschreitet, ausgekreist und im Stapeltank gespeichert. Die Steuerung des Splitters wird im Modell mit einem «Programmable Logic Controller» umgesetzt.
Steuerung der Entleerung des Stapeltanks
Der Stapeltank ist so ausreichend bemessen, dass das Abwasser über längere Zeit gespeichert werden kann. Außerdem verfügt er über Umwälzeinrichtungen, so dass ein Absetzen von Feststoffen vermieden wird. Dennoch muss der Stapeltank natürlich immer so schnell wie möglich wieder freigemacht werden. Dazu wird das gespeicherte Abwasser ein zweites Mal der Kohlenstoffbiologie übergeben. Um zu vermeiden, dass dabei die erste Biostufe überlastet wird, darf die Entlastung des Stapeltanks nur dann erfolgen, wenn die CSB-Zulauffracht aus dem Werk gering ist. Die Ablaufsteuerung des Tanks wird deshalb im Modell ebenfalls mit einem «Programmable Logic Controller» bewerkstelligt.
Der «CSB-Wandler»
Der «CSB-Wandler» zwischen ZKB und dem 2-Wege-Mixer vor der Nitrifikation dient dazu, den inerten gelösten CSB im Ablauf der Kohlenstoffbiologie den Verhältnissen in der Nitrifikation anzugleichen, d.h. zugunsten des gelösten abbaubaren CSB zu verschieben. Es handelt sich dabei um die modellmäßige Abbildung des Phänomens, dass ein nicht geringer Teil des “refraktären CSB” im Ablauf der Biostufe 1 nach Vermischung mit Kommunalabwasser in der zweiten Biostufe nachweisbar eliminiert wird.
Ergebnisse
STOAT stellt mehrere leicht verständliche Formen der Ergebnisausgabe zur Verfügung. Eine besonders einfach zugängliche Übersicht über die Stoffströme bieten die Sankey-Diagramme. Die untere Abbildung zeigt als Beispiel das Szenario mit der höchstmöglichen CSB-Fracht. Es ist gut zu erkennen, dass das Chemieabwasser eine höhere CSB-Fracht liefert als das Kommunalabwasser. Besonders hohe CSB-Frachten zirkulieren mit dem Rücklaufschlamm, aber auch der Überschussschlamm beider Biostufen weist erwartungsgemäß hohe CSB-Frachten auf.
Der Zulauf zum Stapeltank speist sich aus zwei Teilströmen, die aus dem Ablauf der ersten Biostufe ausgekreist werden. Der erste Teilstrom kommt vom «Overflow», der zweite vom «Splitter», der wiederum vom PLC 1 gesteuert wird. Der Teilstrom vom «Overflow» repräsentiert die betriebsbedingte Inanspruchnahme des Stapelvolumens im realen Betrieb des Klärwerks.
Die CSB-Fracht, die dem Stapeltank über den «Overflow» zufließt, ist deutlich geringer, als jene, die aus dem Ablauf der ersten Biostufe mittels Steuerung ausgekreist wird. Die dem Stapeltank zugeführte CSB-Fracht wird wieder dem Zulauf der ersten Biostufe zugeführt. Die oben erläuterte Steuerung sorgt dafür, dass die Entlastung des Tanks immer erst dann einsetzt, wenn die Fracht im Prozesswasserzulauf einen bestimmten Schwellenwert unterschreitet.
Mit der beschriebenen STOAT-Simulation kann belastbar und nachvollziehbar nachgewiesen werden, dass die Anlage allein durch Veränderungen in der Betriebsweise (höhere Überschussschlammentnahme, Puffern von Belastungsspitzen in einem vorhandenen Rückhaltebecken) eine deutlich höhere CSB-Zulauffracht bewältigen kann, als in der fiktiven Betriebserlaubnis genehmigt war. Im realen Fall könnte eine Anpassung der erlaubten CSB-Last bei der Behörde beantragt werden.