17.07.2018:
Regenwassermanagement in Berlin
Nicht nur in Berlin, national wie international ist in den letzten Jahren ein anderer Umgang mit Regenwasser in Siedlungsgebieten zu beobachten. Während früher die „schnellstmögliche“ Ableitung über Kanalisationen im Vordergrund stand, wird heute zunehmend dezentrale Bewirtschaftung des Regenwassers angestrebt.
Für die Bewirtschaftung der Regenabflüsse vor Ort stehen verschiedene technische Möglichkeiten zur Verfügung. Z.B. können durch begrünte Dächer, versickerungsfähige Pflasterbeläge oder Regenwassernutzungsanlagen die Niederschlagsabflüsse schon bei der Entstehung reduziert werden. Nicht vermeidbare Abflüsse werden durch Versickerungsanlagen dem Untergrund und damit dem lokalen Wasserhaushalt wieder zugeführt. Ist der Untergrund nicht ausreichend versickerungsfähig, kommen Rückhaltesysteme wie z.B. sogenannte Rigolen oder Mulden-Rigolen-Systeme zum Einsatz.
Abb. Rummelsburger Bucht Mulden Strassenentwässerung
Das Konzept der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung steht nicht für ein einzelnes Verfahren, sondern für eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen, die entsprechend den örtlichen Bedingungen und Anforderungen ausgewählt und ggf. auch kombiniert werden. Dabei geht es nicht nur um die Reduzierung der Abflüsse, sondern auch um die Reinigung – insbesondere von Straßenabflüssen -, die Verbesserung des Stadtklimas durch eine Erhöhung der Verdunstung, sowie positive Effekte für die Biodiversität und die Aufenthaltsqualität im Freiraum.
Hauptgrund für diesen Paradigmenwechsel im Umgang mit dem Regenwasser ist aber die Reduzierung der Belastung unserer Gewässer. Die früher praktizierte, weitgehende Ableitung von Niederschlagsabflüssen über Trenn- oder Mischsysteme hat zu unübersehbaren Problemen geführt. Zum einen werden durch technisch nicht beherrschbare Überläufe der Mischwasserkanalisation und durch die direkte Einleitung unbehandelter Niederschlagsabflüsse erheblichen Mengen an Schadstoffe in die Gewässer eingetragen. So kommt es in Berlin nach Regenfällen immer wieder zu Fischsterben in der Spree oder dem Landwehrkanal.
Zum anderen führt die schnelle Ableitung zu einer Verschärfung der Abflüsse bei Starkniederschlägen - bei gleichzeitiger Verringerung der Wasserstände in Trockenzeiten. In Berlin ist dieser Effekt vor allem an den kleineren Gewässern wie Panke oder Wuhle sowie vielen Teichen und Pfuhlen zu beobachten. Im Frühsommer 2017 und auch 2018 waren zahlreiche Gewässer in Berlin ausgetrocknet. Und dass es dann bei starken Niederschlägen zu Problemen kommt, haben die Ereignisse im letzten Sommer nur zu deutlich gezeigt.
Mit der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung werden Gewässerbelastungen dagegen auf ein Minimum reduziert. Abflüsse werden reduziert, zurückgehalten und gereinigt. Der in China gebräuchliche Begriff „Sponge-City“ beschreibt den Ansatz sehr anschaulich. Wie ein Schwamm wird das Regenwasser bei Starkregen in den Städten gespeichert und dann in der nachfolgenden Trockenzeit langsam an die Umgebung abgegeben. Dies begünstigt eine erhöhte Verdunstung, was wiederum zur Kühlung der Innenstädte beiträgt und damit einen Beitrag zur Klimafolgenanpassung liefert.
In Berlin gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele ausgeführter Regenwasserbewirtschaftungsanlagen. Bereits vor über 20 Jahren wurde in den großen Entwicklungsgebieten wie der Rummelsburger Bucht und Adlershof eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung praktiziert. Viele Gebäude verfügen hier über Gründächer und Versickerungsanlagen. Auf Regenwasserkanäle in den Straßen wurde verzichtet, stattdessen finden sich Versickerungsmulden und Mulden-Rigolen-Systeme. Auch auf zahlreichen Berliner Privat- und Gewerbegrundstücken wird Regenwasser vor Ort bewirtschaftet. Die Einsparung der Regenwassergebühr, bzw. des Niederschlagswasserentgeltes wie es in Berlin heißt, ist dabei ein guter Anreiz.
Die Erfahrungen mit dezentralen Systemen in Berlin sind durchweg positiv. Selbst bei den Extremniederschlägen Ende Juni 2017 haben die Anlagen beispielsweise in Adlershof sehr gut funktioniert. Eine wissenschaftliche Analyse älterer Versickerungsanlagen (Projekt LEIREV) hat bestätigt, dass die Funktionsfähigkeit auch nach vielen Jahren noch gegeben ist.
Die gute Erfahrungen mit unzähligen gebauten Anlagen in Deutschland haben dazu geführt, dass die Technologien der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung wie z. B. Versickerungsanlagen, Mulden-Rigolen-Systeme, Dachbegrünung oder Regenwassernutzungsanlagen inzwischen als Stand der Technik angesehen werden. Entsprechende Technische Regelwerke und Normen für Planung, Bau und Betrieb stehen zur Verfügung. Auch die gesetzlichen Grundlagen wurden geschaffen. Schon seit 2000 gibt das Berliner Wassergesetz vor, Niederschlagsabflüsse möglichst zu versickern. Seit 2010 findet sich eine ähnliche Formulierung im bundesweit geltenden Wasserhaushaltsgesetz.
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat im Juli 2017 beschlossen, die „Dezentrale Regenwasser-bewirtschaftung als wirksamen Teil der Klimafolgenanpassung“ weiter voranzubringen. Der Beschluss sieht u.a. vor die Gebäude- und Grundstücksflächen, von denen Regenwasser direkt in die Mischwasserkanalisation eingeleitet wird, jährlich um 1 % zu reduzieren („abzukoppeln“) und neue Wohnquartiere bereits in der Planung an einem dezentralen Regenwassermanagement auszurichten. Die inzwischen neu gegründete Regenwasseragentur wird diese Vorhaben unterstützen.
Mit diesem Beschluss hat das Abgeordnetenhaus noch einmal bekräftigt, dass der internationale Trend „weg von der schnellen Ableitung – hin zur Bewirtschaftung vor Ort“ auch für Berlin der richtige Weg ist. Insbesondere in schnell wachsenden Städten wie Berlin gibt es dazu keine vernünftige Alternative!
Abb. Rummelsburger Bucht Mulden
Der Artikel wurde im Online Magazin "Umwelt bewusst" vom Umweltbüro Berlin-Lichtenberg veröffentlicht.
Autor:
Prof. Dr.-Ing. Heiko Sieker
Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH
Honorarprofessor für Urbane Hydrologie an der TU Berlin
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