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Die Regenwasserexperten

Baumrigolen

Prinzip

Die Baumrigole besteht wie das Mulden-Rigolen-Element (MRE) aus einer Versickerungsfläche, die temporär eingestaut werden kann, und einer unterirdisch angelegten Rigole. Teile dieser Rigole werden als Wurzelraum für einen Baum genutzt. Diese Kombination ermöglicht es, die Verdunstungskomponente gegenüber des normalen MREs zu erhöhen. Gleichzeitig unterscheidet sich die Baumrigole vom herkömmlichen Straßenbaum auf Grund eines optimierten Wasserdargebots.

Die Kombination von Bäumen mit Versickerungsanlagen kann in Abhängigkeit vom Anwendungsbereich in unterschiedlichen Technisierungsgraden erfolgen. Die Bandbreite reicht von mit Bäumen bepflanzten Mulden bis hin zur Baumrigole als konstruktive Anlage.

Die Zuleitung von Niederschlagswasser in die Baumrigole kann je nach den Gefälleverhältnissen flächig über die sog. Baumscheibe, oder punktuell mit gefassten Abflüssen erfolgen. Als Versickerungsraum steht in der Regel nur die Oberfläche der Baumscheibe zur Verfügung. Das Niederschlagswasser sickert durch den Wurzelraum des Bodens und kann dabei teilweise bereits vom Baum aufgenommen werden. Auf Grund der Mächtigkeit des Wurzelraums ist die Sickerstrecke somit deutlich länger als bei einer Mulde, hat jedoch keinen vergleichbar hohen organischen Bodenanteil wie letztere. Unterhalb des Wurzelraums befindet sich im Optimalfall ein zum anstehenden Boden hin gedichtetes Reservoir, welches sich mit Sickerwasser füllt und durchwurzelbar ist. Dieses Reservoir stellt einen langfristigen Wasserspeicher für den Baum dar, der zu erhöhten Verdunstungsraten während warmer Trockenphasen führt.

Sowohl der Wurzelraum als auch das Reservoir sollten von weiteren Kiesschüttungen umgeben sein, in die überschüssiges Sickerwasser eintreten, und analog zu einer gängigen Kiesrigole dort versickern kann.  In Abhängigkeit von der Versickerungsfähigkeit des anstehenden Bodens, kann dieser Teil der Rigole gedrosselte entleert werden.

Bei stofflich hochbelasteten Zuflüssen muss die Rigole ggf. komplett gedichtet und gedrosselt entleert werden.

Anwendungsbereich/Einschränkungen

Das Anwendungsgebiet für Baumrigolen befindet sich vor allem in stark urbanisierten Bereichen, die von Versiegelung und Verbau geprägt sind. Hier nutzen Baumrigolen auf zahlreichen Ebenen:

Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ergibt sich als Primärnutzen die Reduktion von Oberflächenabfluss bei gleichzeitiger Erhöhung der Verdunstung und Versickerung. Der Einfluss der Baumrigole auf alle drei Komponenten der Wasserhaushaltsbilanz macht sie zu einer bedeutsamen Maßnahmen, wenn es in der Planung um die Annäherung an die natürliche Wasserhaushaltsbilanz geht.

Darüber hinaus verhindern Baumrigolen durch Verschattung, dass sich versiegelte Flächen aufheizen und sie somit zum Heat-Island-Effekt beitragen. Außerdem erlauben sie die Integration von mehr Vegetation in urbane Bereiche. Sie erfüllen somit zusätzlichen Nutzen unter landschaftsplanerischen Gesichtspunkten, sowie bezüglich Aspekten der urbanen Biodiversität.
Einschränkungen können sich für den Einsatz von Baumrigolen bei hohen stofflichen Belastungen der angeschlossen Flächen ergeben. Je nach Handhabung der zuständigen Behörde ist die Versickerung des Niederschlagswassers trotz der Bodenpassage nicht genehmigungsfähig. In solchen Fällen kann das gesamte Sickerwasser gedrosselt abgeleitet werden (Anschluss an Kanal), oder der Zufluss muss eine Vorreinigung passieren. Alternativ dürfen an die Baum-Rigole nur schwach belaste Flächentypen angeschlossen werden. Orientierung bzgl. der Anschlussmöglichkeiten kann in diesem Fall das DWA-Merkblatt M-153, bzw. das DWA Arbeitsblatt A 138 geben.

Quantitative Wirkung auf den Wasserhaushalt

Die Wirkung von Baurigolen auf den Wasserhaushalt hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • angeschlossene Fläche
  • Drosselabfluss
  • Baumart und Baumalter
  • Klimaregion.

Analog zum MRE wird die Abflusskomponente drastisch reduziert und die Versickerungskomponente entsprechend erhöht. Abweichend vom MRE hat die Baumrigole eine deutliche höhere Verdunstungskomponente. Diese ergibt sich aus der Transpiration und der Evaporation der Blattflächen. Die Verdunstung unterliegt einem Jahresgang (vgl. nachfolgende Abbildung), der in den Sommermonaten zu Spitzenwerten von 670 l/d (Embrem et al. 2009) führen kann.

Tägliche Transpirationsraten von Buchen-/Eichenbeständen (Fagus/Quercus) für den Zeitraum 1998 bis 2007 (Zimmermann, L., 2008)

Schadstoffreduktion

Bei Dimensionierung der Baumrigole in analoger Vorgehensweise wie bei einem Mulden-Rigolen-Element nach DWA- A 138, geht der überwiegende Anteil der Niederschlagsabflüsse durch den Wurzelraum des Baums und ggf. über eine ebenfalls vorhandene belebte Oberbodenzone. Die lange Sickerstrecke führt zu einem teilweise sehr guten Stoffrückhalt:

  • Abfiltrierbare Stoffe: 80-98% (Geronimo 2014, CRWA 2008)
  • Gesamtphosphor: 74% (CRWA 2008)
  • Gesamtstickstoff: 68% (CRWA 2008)
  • Schwermetalle: 80-90% (Geronimo 2014, CRWA 2008).

Ungeachtet dieser Ergebnisse gibt es aktuell Vorbehalte gegenüber des positiven Stoffrückhaltepotentials von Bäumen in Mulden und Rigolen. Diese Vorbehalte werden mit der Gefahr von präferentiellen Fließwegen entlang von Wurzeln begründet, die zu einer Stoffverlagerung in tiefere Bodenschichten führen kann. Die Klärung dieser Frage, die gerade für die Genehmigungspraxis eine hohe Relevanz hat, ist Gegenstand laufender Forschungsprojekte.

Planung, Bemessung, Bau

Die wasserwirtschaftlichen Anforderungen an Baumrigolen sind äquivalent zu denen an Mulden-Rigolen-Element und werden in der DWA-A 138 formuliert. Somit gilt als Bemessungsansatz eine Überstauhäufigkeit eines Baum-Rigolen-Elements von n = 0,2/a.

Ein eigenständiger Bemessungsansatz bzw. eine Dimensionierungshilfe ist in Deutschland noch nicht vorhanden. Für einzelne Systemelemente der Baum-Rigole lassen sich jedoch die Vorgaben aus anderen Regelwerken und Handlungsanweisungen ableiten. So gilt z.B. von Seiten der FLL die Vorgabe, dass Bäumen ein durchwurzelbares Bodenvolumen von mindestens 12 m³, bei einer Mindesttiefe von 1,5 m,  zur Verfügung gestellt werden sollte (FLL 2010).

Unterhaltung, Pflege

Der Pflegeaufwand für Baumrigolen verhält sich entsprechend des Pflegeaufwands für Straßenbäume. Bei punktuellen Zuläufen sollten diese in regelmäßigen Abständen auf Verblockung durch Laubbefall kontrolliert werden.

Kosten

Auf Grund des Umsetzungsdefizits bei Baumrigolen sind Kosten pro Anlage bzw. pro angeschlossene Fläche nicht bekannt bzw. publiziert. Die Kostengruppen teilen sich auf in:

  • Erdarbeiten
  • Konstruktive Elemente (z.B. Betonverschalung, Kontrollschächte)
  • Baum + Bodensubstrat
  • Unterhaltungskosten.

Rechtliches

  • DWA-A 138 „Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser“ (2005)
  • DWA-M 153
  • DIN 18916 „Vegetationstechnik im Landschaftsbau – Pflanzen und Pflanzarbeiten“ (2002)
  • FLL „Empfehlungen für Baumpflanzungen“ (2010)

Literatur

Embrém, B., Alvem, B.-M., Ståhl, Ö., Orvesten, A. (2009): Pflanzgruben in der Stadt Stockholm. Trafikkontoret, Stockholm.

Geronimo, F.K.F; Maniquiz-Redillas, J.A.S & Kim, L.H. (2014): Treatment of suspended solids and heavy metals from urban stormwater runoff by a tree box filter. Water Science & Technology, Ausgabe 69.12, S.2460-2467.

CRWA  (2008): Stormwater Tree Pit. Charles River Watershed Association, Weston.

Zimmermann, L.;Raspe, S.;Schulz, C.;Grimmeisen, W.(2008): Wasserverbrauch von Wäldern – Bäume und Bestände verdunsten unterschiedlich stark.Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft,LWF aktuell, Heft 66, S. 16-12

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Wegweiser

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Autor
Dr.-Ing. Matthias Pallasch
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