Sieker
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Die Regenwasserexperten

Kennzahlen

Anfang der 90er Jahre begann man in der Schweiz mit der zielgerichteten Erschließung von Energiepotenzialen auf Kläranlagen. Dort entstand auch das erste Handbuch Energie in Abwasserreinigungsanlagen, mit dem ein entsprechendes Instrumentarium und erste Kennzahlen zum sparsamen Energieeinsatz vorgelegt wurden.

Aufgrund der guten Erfahrungen in der Schweiz ließ das Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen das auf der schweizerischen Vorlage aufbauende Handbuch Energie in Abwasserreinigungsanlagen-NRW erarbeiten (MÜLLER et al., 1999 (Energie in Kläranlagen - Handbuch)). Flankierend dazu wurde ein Förderprogramm aufgelegt, wobei 70% der Kosten externer Gutachten zur Energiesituation übernommen wurden. Dies führte dazu, dass bis 2005 für kommunale Kläranlagen in NRW fast flächendeckend sogenannte "Feinanalysen" erarbeitet wurden (SEIBERT-ERLING, 2008).

Die vorletzte Veröffentlichung dieser Reihe ist der F&E-Bericht des UBA zur Steigerung der Energieeffizienz auf Kläranlagen. Darin unterziehen HABERKERN et al., 2008 die in den o.g. Vorläufern veröffentlichten Kennzahlen zur Energieeffizienz einer kritischen Bewertung und schlagen dem aktuellen Stand entsprechende anspruchsvollere Zielgrößen ("Ziel-" und "Toleranzwerte") vor.

«Zielwerte» bilden vereinfacht ausgedrückt die technisch erreichbare Energieeffizienz ab, die jedoch in der Praxis nicht von allen Kläranlagen erreicht werden kann. «Toleranzwerte» beschreiben den Stand der Energieeffizienz, der bei mindestens der Hälfte der untersuchten Kläranlagen mit vertretbarem Aufwand erreicht werden kann.

Beispielsweise lautet der Zielwert für den Stromverbrauch einer kommunalen Standardkläranlage ab Größenklasse 3 (> 300 kg/d BSB5 roh, d.h. > 5.000 EW) 18 kWh/(EW * a).

Unter Berücksichtigung der von den Verfassern der Ziel- und Toleranzwerte gewählten Annahmen zu den Einwohnerwerten entspricht dies rund 0,2 kWh/m³ oder 0,4 kWh/kg CSB. Aufgeschlüsselt ergeben sich ca. 0,14 kWh/m³ für die biol. Stufe, 0,03 kWh/m³ für die Schlammbehandlung und 0,03 kWh/m³ für die mechanische Stufe und Sonstiges.

Die «Ziel- und Toleranzwerte» der nachfolgenden Tabelle sind dem F&E-Bericht des UBA entnommen und gelten unter folgenden Annahmen:

  • Gesamtabwassermenge 91 m³/(EW * a) bzw. 250 l/(EW * d)

  • Förderhöhe Zulaufpumpwerk ≤ 3 m

  • N/BSB5-Verhältnis im Zulauf < 0,2

Kennwert
Nr.

Anlage/
Anlagenteil

Parameter

Kennwert/
Einheit

Zielwerte

Toleranzwerte
(Beispiele)

GK 3 bis 5

GK 3

GK 4/5

1

Kläranlage insgesamt

Stromverbrauch

kWh/(EW * a)

18

35

30

2

Kläranlage mit Faulung

Eigenversorgungsgrad Strom

%

100,0

-

60,0

3

Kläranlage mit Faulung

externer Wärmebezug

kWh/(EW * a)

0

-

3

4

Faulung

Menge Faulgas

l/(EW * d)

30

-

20

 

 

Menge Faulgas
bei Normbedingungen

Nm³/(EW * a)

11

-

7,3

5

Belüftung Belebung

Stromverbrauch

kWh/(EW * a)

10

18

16

Zuschläge

zu 1/2

Flockungsfiltration/
Sandfilter im Ablauf

Stromverbrauch

kWh/(EW * a)

2

-

4

zu 1/2

Membranfiltration

Stromverbrauch

kWh/(EW * a)

9

14

14

zu 1/2

Biomembrananlage anstelle biolog. Stufe

Stromverbrauch

kWh/(EW * a)

82

130

120

zu 1/2

Klärschlammtrocknung

Stromverbrauch

kWh/(EW * a)

2

-

4

zu 1/2

Abluftbehandlung

Stromverbrauch

kWh/1.000 m³/h

1

2,5

2

Bei Position 4 darf die Menge an Faulgas aus der Co-Fermentation (Richtwert 500 l/kg oTR) voll auf die gesamte Faulgasmenge angerechnet werden.

Die Zuschläge für die Abluftbehandlung (Tabelle, letzte Zeile) beziehen sich auf die installierte Abluftbehandlungskapazität. Hat z.B. ein Klärwerk mit einer zulaufenden Abwasserfracht von 300.000 EW (GK 5) eine Abluftbehandlungskapazität von 100.000 m3/h errechnet sich daraus ein Zuschlag von:

100.000 m3/h * 2 kWh/1.000 m3/h * 8.760 h/a / 300.000 EW = 5,84 kWh/(EW * a)

Die zahlenmäßige Gegenüberstellung zwischen den jeweiligen Kennzahlen eines Klärwerks und den in der Tabelle genannten Ziel- und Toleranzwerten wird geführt, indem entweder die Ziel- und Toleranzwerte mit den jeweils zutreffenden Zuschlägen aufgestockt oder diese Zuschläge von den Kennzahlen des Klärwerks abgesetzt werden.

Literatur

  • HABERKERN et al., 2008: Haberkern, B.; Maier, W.; Schneider, U. Steigerung der Energieeffizienz auf kommunalen Kläranlagen. Umweltbundesamt Texte Nr. 11/08, Dessau-Roßlau, März 2008.

  • MÜLLER et al., 1999: Müller, E. A.; Kobel, B.; Künti, T.; Pinnekamp, J.; Seibert-Erling, G.; Böcker, K. Energie in Kläranlagen – Handbuch. Herausgeber: Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, September 1999.

  • SEIBERT-ERLING, 2008: Seibert-Erling, G. Die Kläranlagen im Spannungsfeld energiepolitischer Ziele, gesetzlicher Regelungen und wirtschaftlicher Betriebsführung. Beitrag zur „41. Essener Tagung für Wasser- und Abfallwirtschaft 2008“. http://www.klaerwerk.info/Energie--und-E-Technik/Die-Klaeranlagen-im-Spannungsfeld (Zugriff am 30.11.2015).

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Wegweiser

Autor
Dr. Olaf Sterger
Dipl.-Ing. Franklin Lindow
+49 3342 3595-28
f.lindow[at]sieker.de